Clemens Hoch setzt sich für den Auf- und Ausbau neuer, moderner Versorgungsstrukturen ein
Gewohnt humorvoll und souverän begrüßte Clemens Hoch, SPD-Landtagsabgeordneter und Minister für Wissenschaft und Gesundheit in Rheinland-Pfalz, am 17. November rund 40 interessierte Besucher aus Andernach und Umgebung, die der Einladung zur „Halbzeit im Landtag – Clemens Hoch tauscht sich HIER KONKRET VOR ORT mit Bürgern zur medizinischen Versorgung im ländlichen Raum aus“ gefolgt waren. Im Rahmen der Veranstaltung stellte sich auch Marko Boos vor, der für die SPD bei der kommenden Landratswahl im Kreis MYK ins Rennen geht.
Medizinische Versorgung in Rheinland-Pfalz und Andernach sind gut!
Einleitend berichtete Hoch über den aktuellen Zustand der rheinland-pfälzischen Gesundheitsversorgung: „Die gute medizinische Versorgung in Rheinland-Pfalz wird aktuell durch ein großes Netzwerk an Krankenhäusern, Arztpraxen und medizinischen Versorgungszentren gesichert. Im Vergleich zu 2013 gibt es sogar 20 Prozent mehr Ärztinnen und Ärzte.“ Auch die Beschäftigung von Hausärzten sei mit Blick auf die letzten zehn Jahre konstant geblieben. Ebenfalls sei die Krankenhausdichte im Ländervergleich hoch. Unterstützt mit der Krankenhausinvestitionsfinanzierung und der Förderung aus dem Krankenhauszukunftsfonds sei das Land ein verlässlicher und starker Partner an der Seite der Krankenhäuser. Insbesondere die Stärkung des ländlichen Raumes und die Förderung kleinerer Krankenhäuser stünden im Vordergrund.
Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen
In einer anschließenden Diskussionsrunde berichteten einige Gäste über ihre zum Teil grenzwertigen Erfahrungen, die sie mit telefonisch nicht erreichbaren Hausärzten oder ellenlangen Wartezeiten in den Notaufnahmen der regionalen Krankenhäuser an den Wochenenden gemacht hatten. Dazu bemerkte Clemens Hoch, dass die meisten Patientinnen und Patienten gar nicht in die Notaufnahme gehörten. Ihnen müsste an anderer Stelle geholfen werden. Sie würden nur mangels Alternativen die Wartezimmer der Notaufnahmen verstopfen, die eigentlich für lebensbedrohliche Fälle gedacht sind. Ein Krankenhaus wie das St. Nikolaus-Stiftshospital in Andernach schleuse an Brückentagen oder am Wochenende 100 bis 150 Patienten täglich durch die Notaufnahme, berichtete die Klinik-Geschäftsführerin Cornelia Kaltenborn.
Als es um die umstrittene Schließung von sieben Bereitschaftspraxen zu Lasten der Krankenhäuser durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ging – und davon wäre auch Andernach betroffen – sagte Hoch: „Es kann jawohl nicht wahr sein, dass es sich die KV so leicht macht und sagt: ´Dann machen wir halt zu´. Nur weil sie nicht gewillt ist, Sozialabgaben für die sogenannten „Poolärzte“ – Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, die gegen Honorar Bereitschaftsdienste übernehmen – zu zahlen!“ Auch könne es nicht sein, dass der Gesundheitsminister diese Hiobsbotschaft aus der Presse erfahren müsse, fügte der ebenfalls anwesendeehemalige Oberbürgermeister Achim Hütten hinzu.
Er nehme war, dass sich die Menschen in unserer eher ländlich geprägten Region zunehmend Sorgen machen, fuhr der Landtagsabgeordnete fort. „Das Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen“, räumte er ein. Hoch und sein SPD-geführtes Gesundheitsministerium arbeiteten für die Aufrechterhaltung des hohen Niveaus der medizinischen Versorgung sowie den Auf und Ausbau neuer, moderner Versorgungsstrukturen. Denn, so erklärte er, habe sich der „Markt“ verändert und die „Anbieter“ wollten ihre Dienstleistungen anders anbieten als vor 30 Jahren. Während die Hausärzte früher mit ihren Privatnummern im Telefonbuch standen und auch am Wochenende für ihre Patientinnen und Patienten erreichbar gewesen wären, hätte man heute selbst zu den Sprechzeiten lediglich zwei Zustände: „Entweder besetzt oder es geht keiner ran.“
Und das habe einen Grund: „Die Teams in den Hausarztpraxen sind total überlastet.“
„Hausarztpraxen und Krankenhäuser brauchen moderne, flexible Modelle!“
Mit diesem Zustand unzufrieden fuhr er fort: „Und wir arbeiten weiter wie Anfang der 90-er Jahre. Das kann nicht sein!“ Stattdessen plädierte Hoch für neue Modelle, die sich auch an den Bedürfnissen der Ärztinnen und Ärzte orientierten. Diese wollten, wie jeder andere Berufstätige auch, sowohl Beruf und Familie in Einklang bringen, als auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben und ihre Freizeit genießen. Die Medizinerinnen und Mediziner hätten den Wunsch, in Elternzeit gehen zu können, flexible Teilzeitmodelle zu leben und wären der (bei den Hausärzten früher üblichen) 70-Stunden-Woche überdrüssig.
Ein erster Schritt in die richtige Richtung sei eine funktionierende „116 117“. „Wenn die Menschen verlässlich wüssten, dass ihnen unter dieser einen Nummer geholfen wird, und ihnen bewusst wäre, dass sie online ihre Arzttermine wie Kinokarten buchen könnten, wäre schon viel erreicht“, betonte er. Hier müsse man sich die Digitalisierung zu Nutze machen und sich ein Stück weit vom in Deutschland so hochgehaltenen Datenschutz verabschieden, so Hoch. Und das gefalle eben nicht jedem.
Mit der elektronischen Patientenakte, die Bundesgesundheitsminister Lauterbach für 2025 angekündigt hat, könne man zudem auch eine Menge Bürokratie abbauen, ergänzte Hütten. Hierzulande laufe das aktuell sehr ineffizient und kompliziert und damit habe er richtige „Bauchschmerzen“, so Hoch. Auch die Handhabung des E-Rezeptes sei völlig an der Lebenswirklichkeit vorbei und nähme absurde Züge an, erläuterte Hoch an verschiedenen Beispielen. „Wir verwalten uns zu Tode und müssen endlich diesen alltäglichen Wahnsinn überwinden“, waren sich Hoch und Hütten einig.
Krankenhaus in Andernach funktioniert gut
Abgesehen vom immens großen Fachkräftebedarf wusste Geschäftsführerin Cornelia Kaltenborn viel Positives zu berichten. Zwar sei man im Andernacher Krankenhaus derzeit gut aufgestellt, aber die Erfahrungen der anderen Krankenhäuser sprächen eine andere Sprache. „Wir brauchen insgesamt mehr Ärztinnen und Ärzte!“, stellte Hoch fest. Besonders lobte er die Teams in den beiden Kreißsälen vor Ort. „Zwei Kreißsäle mit 1.200 Geburten im Jahr – das könnte eine Blaupause fürs ganze Land sein. Genau das brauchen wir in der gesamten Fläche“, forderte er. Ob 400 oder 1.200 Geburten jährlich zu stemmen wären, das sei zweitrangig, weil nicht genau planbar. „Um die Bereitschaftszeiten abzudecken, brauchen wir 24/7 die gleiche Mannschaft und das kostet das gleiche Geld“, bilanzierte er abschließend.